Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Die Revision ist nach § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. |
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Die Revision kann dem Senat Gelegenheit zur Klärung der Rechtsfrage geben, ob bei der
Berechnung von Wohngeld (§ 14 WoGG) Zinseinnahmen aus angelegtem Schmerzensgeld als
Einkommen berücksichtigt werden dürfen. |
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Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Anwalt beizuordnen. Die
beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet - was hier bereits aus der Zulassung der Revision
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache folgt (vgl. Beschluss vom 26. März 2009
- BVerwG 2 PKH 1.09 <BVerwG 2 C 83.08> - juris) - hinreichende
Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). |
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Auch die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und
Beiordnung eines Rechtsanwalts liegen vor (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 115, 117 und 121 Abs. 1
ZPO). Nach der Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse (§ 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO) ist sein um die monatlichen Ausgaben
bereinigtes Einkommen so gering, dass ihm Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu
gewähren ist. |
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Zwar verfügt der Kläger über ein nicht unbeträchtliches Bankguthaben (ca.
97 000 ), das nach seinen Angaben wie auch den zwischen den Beteiligten nicht
im Streit stehenden Feststellungen der Vorinstanzen aus einer Schmerzensgeldzahlung wegen
eines ärztlichen Behandlungsfehlers stammt. Der Einsatz dieses Vermögens ist dem Kläger
aber nicht zumutbar (§ 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO), weil dies für ihn eine Härte
bedeuten würde (§ 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII
entsprechend). |
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Die einen Härtefall begründende Atypik der Fallgestaltung ergibt sich daraus, dass
der Einsatz des Schmerzensgeldes im Rahmen der Prozesskostenhilfe seiner besonderen
Zwecksetzung zuwider liefe; das Schmerzensgeld stünde dem Betroffenen nicht mehr zu den
Zwecken zur Verfügung, für die es bestimmt ist (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG
5 C 22.93 - BVerwGE 98, 256 <258 f.> zur sozialhilferechtlichen Freistellung des
Schmerzensgeldes durch die Härtefallregelung des § 88 Abs. 3 BSHG ). Nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 253 Abs. 2 BGB) handelt es sich bei dem Schmerzensgeld um
eine Geldleistung zur Abdeckung eines immateriellen Schadens. Es dient vor allem dem
Ausgleich erlittener oder andauernder Beeinträchtigungen der körperlichen und seelischen
Integrität, insbesondere auch dem Ausgleich von Erschwernissen, Nachteilen und Leiden,
die über den Schadensfall hinaus anhalten und die durch die materielle
Schadensersatzleistung nicht abgedeckt sind, und trägt zugleich dem Gedanken Rechnung,
dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung
schuldet (BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229
<240> m.w.N.). Der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes entspricht es, dass das
Leben des Geschädigten dadurch in gewissem Umfang erleichtert werden soll. Dies alles ist
aber nur gewährleistet, wenn der Geschädigte das Schmerzensgeld zur freien Verfügung
behält und nicht für Prozesskosten oder seinen notwendigen Lebensunterhalt aufwenden
muss (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05 - VersR 2006, 673 f.).
Schmerzensgeld ist deshalb im Rahmen der Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht als
Vermögen einzusetzen (so auch OLG Köln, Beschluss vom 8. November 1993 - 27 W
20/93 - FamRZ 1994, 1127; OLG Koblenz, Beschluss vom 10. Februar 1999
- 12 W 64/99 - NJW-RR 1999, 1228; OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. Juni
2007 - 18 WF 112/07 - FamRZ 2007, 1661; Geimer, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl.,
Stand 2010, § 115 Rn. 61 jeweils m.w.N.). |
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Der Senat folgt nicht der hiervon abweichenden Auffassung, bei hohen
Schmerzensgeldzahlungen und geringem Streitwert könne der teilweise Einsatz zumutbar
sein, wenn der Partei der wesentliche Teil des Schmerzensgeldes verbliebe bzw. die
Funktion des Schmerzensgeldes nicht wesentlich beeinträchtigt werde (so OLG Hamm,
Beschluss vom 16. Juni 1987 - 10 WF 278/87 - FamRZ 1987, 1283; OLG Jena,
Beschluss vom 29. Februar 2000 - 4 W 81/00 - OLGR Jena 2000, 185; vgl. auch OLG
Zweibrücken, Beschluss vom 30. Dezember 1998 - 2 WF 139/97 - FamRZ 1998, 758 f.; OLG
Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2010 - 14 W 85/09 - VersR 2011, 88 f.; offenlassend LSG
München, Beschluss vom 30. September 2008 - L 13 B 657/08 R - juris). Das Schmerzensgeld
ist nämlich - um zur Erreichung der mit ihm verfolgten Zwecke weiterhin zur Verfügung zu
stehen - nicht nur mit einem bestimmten Anteil, sondern in seiner ganzen noch vorhandenen
Höhe geschützt. Weil seine Höhe von der Schwere der Schädigung und dem Gewicht des
erlittenen Unrechts abhängt, ist es nicht gerechtfertigt, die freie Verfügbarkeit des zu
deren Ausgleich und Genugtuung erhaltenen Schmerzensgeldes in Teilen einzuschränken
(Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O. <260>). |
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Demgegenüber bedarf es hier im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe keiner
Entscheidung darüber, ob Zinseinnahmen aus angelegtem Schmerzensgeld als Einkommen im
Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO einzusetzen sind. Auch wenn die diesbezüglichen
Zinseinkünfte des Klägers, die er mit monatlich ca. 135 angegeben hat, als
Einkommen berücksichtigt werden, liegt sein nach den Abzügen verbleibendes und insgesamt
einzusetzendes Einkommen unter 15 , so dass dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne
Ratenzahlungen zu bewilligen ist (vgl. § 115 Abs. 2 ZPO). |
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