Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.
- 1
- Der Antrag der Klägerin vom 28. Februar 2006 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten ist unbegründet. Die Klage gegen den
Bescheid des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg von Berlin vom 28. Januar 2005 in der
Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 21. September 2005 mit dem die Behörde
den Antrag der Klägerin vom Juni 2003 auf Weiterbewilligung von Wohngeld abgelehnt hat
bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO i.V.m. §
114 ZPO.
- 2
- Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ist nicht der
Erkenntnisstand der ggf. (wie hier) verspäteten gerichtlichen Entscheidung,
sondern derjenige, der bei Eintritt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags
gegeben war, zugrunde zu legen (vgl. VGH München, Beschluss vom 12. Januar 2009 19
C 08.3099 Juris m.w.N.), sofern nicht nach Entscheidungsreife die Klage durch eine
Änderung der Sach- oder Rechtslage Aussichten auf Erfolg aufweist und dann ab diesem
Zeitpunkt Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 11. September 2007 2 M 44.07 Juris). Die Entscheidungsreife
tritt regelmäßig erst nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie
nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 10 C 39.07 u.a. Juris; OVG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Dezember 2007 5 M 38.07 ). Hinreichende
Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Sinne von § 114 ZPO besteht, wenn
das Gericht den Standpunkt des Antragstellers aufgrund dessen eigener Sachdarstellung und
der von ihm gegebenenfalls eingereichten Unterlagen für zutreffend oder zumindest
vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung
überzeugt ist; Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn zur Klärung des
Sachverhalts eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und
nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit
zum Nachteil des die Prozesskostenhilfe begehrenden Beteiligten ausgehen wird (vgl.
BVerfG, Beschlüsse vom 19. Februar 2008 1 BvR 1807/07 und 29. September
2004 1 BvR 1281/04 jeweils Juris; VGH München, Beschluss vom 29. Januar
2009, a.a.O.).
- 3
- Nach diesen Maßstäben hatte die Klage (bereits) zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife
des Prozesskostenhilfegesuchs hier Ende März 2006 keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg.
- 4
- Der Gewährung von Wohngeld steht die Regelung des § 18 Nr. 4 des Wohngeldgesetzes
WoGG in der hier maßgeblichen (bis Ende 2008 im Wesentlichen unverändert
fort-) geltenden Neufassung vom 23. Januar 2002 (BGBl. I S. 474) entgegen. Danach besteht
ein Anspruch auf Wohngeld nicht, soweit ein Antragsberechtigter, der mit Personen, die
keine Familienmitglieder im Sinne des § 4 WoGG sind, eine Wohn- und
Wirtschaftsgemeinschaft führt, besser gestellt wäre als im Rahmen eines vergleichbaren
Familienhaushalts (1. Halbsatz). Das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft wird vermutet,
wenn der Antragsberechtigte und die Personen Wohnraum gemeinsam bewohnen (2. Halbsatz).
Das Bundesverwaltungsgericht hat zu dieser Regelung in seinem Urteil vom 24. August 1990
8 C 65.89 (Juris) grundlegend ausgeführt:
- 5
Die gesetzliche Vermutung des § 18 Abs. 2 Nr. 2
Halbsatz 2 WoGG ist eine sog. Rechtsvermutung, nach der eine Tatsache (hier: Bestehen
einer Wirtschaftsgemeinschaft) als feststehend zu behandeln ist, wenn eine andere Tatsache
(hier: Bestehen einer Wohngemeinschaft) feststeht. Stellt das Gesetz für das
Vorhandensein einer Tatsache eine solche Vermutung auf, ist nach der gemäß § 173 VwGO
entsprechend anwendbaren Regel des § 292 Satz 1 ZPO der Beweis des Gegenteils, nämlich
der Beweis, daß die vom Gesetz vermutete Tatsache nicht vorliegt, zulässig, es sei denn
- was hier jedoch nicht der Fall ist - das Gesetz schreibe etwas anderes vor. Zu Recht hat
das Berufungsgericht erkannt, zur Widerlegung der vom Gesetz vermuteten Tatsache müsse
allerdings der volle Beweis dafür erbracht werden, daß diese Tatsache nicht vorliegt, es
genüge nicht, die Vermutung nur zu erschüttern.
- 6
Das Berufungsgericht hat letztlich offengelassen, ob eine
Wirtschaftsgemeinschaft bestanden hat. Es hat zunächst die eine Wirtschaftsgemeinschaft
im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 WoGG kennzeichnenden Kriterien dargestellt und
in Würdigung der von ihm festgestellten Tatsachen entschieden, diese sprächen im
vorliegenden Fall tendenziell eher für als gegen das Bestehen einer
Wirtschaftsgemeinschaft; jedenfalls reichten diese Tatsachen aber nicht aus, um annehmen
zu dürfen, der Kläger habe den Nachweis erbracht, daß die vom Gesetz im Falle des
Bestehens einer Wohngemeinschaft vermutete Wirtschaftsgemeinschaft nicht vorgelegen habe.
Das läßt eine Verletzung von Bundesrecht nicht erkennen.
- 7
Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, für die
Bestimmung des Begriffs "Wirtschaftsgemeinschaft" in § 18 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz
2 WoGG könne auf die Definition in § 4 Abs. 2 Satz 2 WoGG zurückgegriffen werden.
Maßgebend ist dementsprechend für das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft, ob sich
der Antragsberechtigte und sein(e) Mitbewohner "ganz oder teilweise gemeinsam mit dem
täglichen Lebensbedarf versorgen" (§ 4 Abs. 2 Satz 2 WoGG), d.h. ob sie in dem
bezeichneten Ausmaß - wie es das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 20. Januar 1977,
a.a.O. S. 12) im Zusammenhang mit § 122 BSHG ausgedrückt hat - "aus einem Topf
wirtschaften". Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht ferner, wenn es meint, ein
solches "gemeinsames Versorgen" bzw. "Wirtschaften aus einem Topf"
setze nicht voraus, daß nur eine einzige gemeinsame Kasse bestehe. Ohne Belang ist
überdies, ob die Partner der Gemeinschaft eine getrennte Kassenführung, d.h. vereinbart
haben, daß jeder der Partner nicht nur die Hälfte der Generalunkosten des Haushalts,
sondern auch die Hälfte der Aufwendungen zu tragen hat, die für eine gemeinsame
Versorgung mit dem täglichen Lebensbedarf anfallen. Denn die Fragen, wer wann welchen
Anteil dieser Kosten deckt, berühren nicht das "Wirtschaften aus einem Topf",
sondern betreffen die "Speisung" dieses Topfes. Zu folgen ist dem
Berufungsgericht schließlich in der Annahme, eine Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne des §
18 Abs. 2 Nr. 2 WoGG verlange nicht, daß die der teilweisen gemeinsamen Versorgung mit
dem täglichen Lebensbedarf dienenden Güter gemeinsam und/ oder aufgrund gemeinsamer
Planung angeschafft werden oder daß der eine Partner über ein etwa bestehendes Konto des
anderen verfügen darf. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Partner im Interesse der
Einsparung von Zeit und Geld sich zumindest teilweise gemeinsam mit Gütern des täglichen
Lebensbedarfs versorgen und in diesem Sinne "aus einem Topf wirtschaften".
- 8
- Nach diesen Maßstäben war (bereits) im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des
Prozesskostenhilfegesuchs entsprechend der gesetzlichen Vermutung des § 18 Nr. 4 WoGG von
einer Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Klägerin und Herrn M., die unstreitig das
Wohnzimmer gemeinsam benutz(t)en, auszugehen; dasselbe gilt, wenn auf den Zeitpunkt der
Beantragung des Wohngeldes (Juni 2003) abgestellt wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23.
Januar 1990 - 8 C 58.89 Juris). Das pauschale Vorbringen der Klägerin, die für
das Nichtvorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft die Beweislast trägt (vgl. OVG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2008 5 M 16.07 ), sie und Herr
M. würden sich nicht gemeinsam versorgen, jeder würde für sich wirtschaften und Herr M.
würde sich im Nebenhaus bei seinem Vater verköstigen und dort oder im Waschcenter seine
Wäsche waschen, war nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung zu erschüttern, jedenfalls
ließ es einen gesicherten Schluss darauf nicht zu, dass es an einer
Wirtschaftsgemeinschaft gefehlt hat (vgl. zu dieser Anforderung an eine Widerlegung der
gesetzlichen Vermutung BVerwG, Urteil vom 24. August 1990, a.a.O.). Vielmehr bestätigt
der Umstand, dass die Klägerin und Herr M. (unstreitig) 1999 den für die Wohnung
erforderlichen Wohnberechtigungsschein gemeinsam beantragt und erhalten haben, die
gesetzliche Vermutung einer Wirtschaftsgemeinschaft. Denn nach § 18 WoFG rechne(te)n zu
dem einen Wohnberechtigungsschein betreffenden Haushalt u.a. der Ehegatte,
der Lebenspartner und der Partner einer sonstigen auf
Dauer angelegten Lebensgemeinschaft , die miteinander eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führen (Hervorhebungen
durch das Gericht). Die Klägerin hat im Übrigen auch nicht bestritten, gegenüber dem
Wohnungsamt angegeben zu haben, in der zukünftigen Wohnung mit Herrn M. eine Wohn- und
Wirtschaftsgemeinschaft zu führen, sondern lediglich, dass sie im hier nicht
relevanten Zeitpunkt der Beantragung des Wohnberechtigungsscheins keine
Wirtschaftsgemeinschaft, sondern jeder für sich eine Wohnung geführt hätten. Hinzu
kommt, dass ausweislich der Angaben der Klägerin und von Herrn M. von Anfang
Dezember 1999 im Fragebogen für Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften beide
Hauptmieter der Wohnung sind, Herr M. das (gesamte) Mobiliar für die Wohnung gekauft hat,
Hausrat teilweise gemeinsam angeschafft worden ist und die Klägerin (jedenfalls
seinerzeit) sämtliche Nebenkosten wie Strom und Hausratversicherungen bezahlt hat.
Demgegenüber ist die Angabe von Herrn M. im Februar 2005 bei einem Telefonat gegenüber
dem Wohnungsamt, man habe sich lediglich deswegen zusammengetan, um eine
größere Wohnung zu erhalten, die sonst jedem einzelnen nicht zugestanden hätte, jeder
würde aber nur seinen Teil der Wohnung nutzen, substanzlos. Schließlich spricht auch die
Aufteilung der Mietkosten für das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft, weil der
Umstand, dass Herr M. nach den Angaben der Klägerin bei der Wohnungsbesichtigung
im August 2005 1/3 der Miete und der sonstigen Nebenkosten trägt, obwohl er nur
einen geringen Anteil der Wohnfläche (1/10) und den Küchenbereich nur morgens zum
Frühstück nutzt, den Schluss auf eine verdeckte finanzielle Unterstützung der Klägerin
durch (den finanziell besser gestellten) Herrn M. erlaubt.
-
- 9
- Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf das Beweisangebot der Klägerin
gerechtfertigt, Herrn M. als Zeugen dafür zu hören, dass sie und Herr M. sich nicht
gemeinsam versorgen und jeder für sich wirtschaftet. Auf Grund der zuvor genannten
Umstände liegen konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vor, dass eine
Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Klägerin ausgehen würde
(vgl. zur Zulässigkeit einer Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren BVerfG,
Beschluss vom 19. Februar 2008, a.a.O.). Im Übrigen wäre der angebotene Beweis schon
deswegen nicht zu erheben, weil er nicht hinreichend substanziiert ist. Die unter Beweis
gestellten Umstände betreffen nicht konkrete tatsächliche Umstände der Wohn- bzw.
Lebensverhältnisse der Klägerin und von Herrn M., sondern lediglich eine (wertende)
Schlussfolgerung.
- 10
- Dass das Wohnungsamt der Klägerin von 1999 bis 2003 Wohngeld gewährt hat, ist für den
von der Klägerin geltend gemachten (Weiter-) Bewilligungsanspruch unerheblich, zumal das
Wohnungsamt dabei der Frage einer Wirtschaftsgemeinschaft mit Herrn M. offensichtlich
nicht nachgegangen ist.
|